Nach einem Besuch bei meinen Eltern in Norddeutschland und voller Vorfreude auf unseren Alltag in Köln – unserem Multimedia-Studio, der Homebase zwischen Kunst und Digitalität – machten wir uns bereit für die Rückfahrt. Doch während des Packens und Verabschiedens gelang uns ein kleines Meisterstück des Chaos, das wir zunächst gar nicht bemerkten.
Zufrieden setzten wir uns ins Auto, um die Heimreise anzutreten. Stunden später erhielt ich einen Anruf von meiner Mutter: Unser Koffer stand noch auf der Auffahrt! Wie konnten wir das nur schaffen? Wo war unser Kopf? Wir suchten verzweifelt nach einer Erklärung und schoben es darauf, dass der Koffer wohl hinter dem Auto stand und beim Wegfahren irgendwie nicht sichtbar war. Vielleicht hatte er sich einfach in den toten Winkel unserer Aufmerksamkeit geschlichen, kaum sichtbar, wie ein Gedanke, den man übersieht. Ein hilfloser Versuch, uns selbst zu beruhigen – als ob das alles erklären könnte.
Der Koffer, einsam und verlassen, wurde zu einem Symbol für das Durcheinander in unserem Kopf und das Zurechtbiegen einer unkoordinierten Lebensweise. Vielleicht war es auch einfach nur ein Ausdruck unserer chaotischen Kultur, die wir irgendwie als Teil unseres kreativen Lebens akzeptierten, obwohl sie uns hin und wieder in unangenehme Situationen brachte. Der Koffer musste schließlich per Bahnexpress nachgeschickt werden – damals war das für alle nur mäßig witzig.
Während ich diesen Blog schreibe, muss ich plötzlich an eine andere Koffer-Geschichte denken. Auch sie hatte ihre eigenen seltsamen Momente. Es regnete in Strömen, und ich suchte Schutz vor einem Ladeneingang. Ein Passant hastete ebenfalls heran und quetschte sich mit seinem Koffer in den schmalen Unterstand, den ich bereits gefunden hatte. Der Platz war so eng, dass wir unweigerlich ins Gespräch kamen.
Wir beide hatten kleine Koffer bei uns, die unterschiedlicher kaum sein konnten. Meiner – aus Paris von der Designermarke Agnes B. – war ein Schmuckstück, das ich mir damals als mittelloses Au-pair mit viel Hingabe geleistet hatte. Er war nicht nur ein Koffer, sondern irgendwie Ausdruck meiner Träume und Wünsche. Elegant, einzigartig, fast romantisch. Der Koffer des Passanten hingegen wirkte wie das Gegenteil: funktional, geradlinig, praktisch – ein klassischer Businesskoffer. Er strahlte Effizienz aus, während meiner viel mehr versprach. Zumindest empfand ich das so.
Wir schauten uns an, der Regen prasselte knapp an uns vorbei, und wir hatten irgendwie beide denselben Gedanken: Was wäre, wenn wir die Koffer tauschen würden? Er sprach kein Deutsch, ich glaube, er war Holländer. Es war fast wie in einem Film. Sollen wir nicht einfach die Koffer tauschen? Diese absurde Idee schien in diesem Moment fast realistisch. Die Vorstellung, alles Bekannte hinter sich zu lassen, mit einem fremden Koffer in ein neues Abenteuer zu starten, hatte ihren Reiz.
Aber wir tauschten nicht. Das Leben ist eben kein Film. Der Regen ließ nach, wir lachten über die absurde Idee und gingen mit unseren eigenen Koffern weiter – auf den vertrauten Pfaden des Lebens. Doch der Gedanke blieb – wie eine Frage, die sich leise in den Raum schleicht und unbeantwortet bleibt.